25. Woche - NGC 4236, eine Galaxie in der M81/82-Gruppe (2024)

Die Galaxiengruppe um M 81 und M 82 enthält viel mehr als nur die bekannten, zentralen Galaxien. Sie ist sehr langgezogen und erstreckt sich nach Westen bis hin zu NGC 2403 und nach Nordosten bis zu NGC 4236 und DDO 165. Im heutigen AdW wird NGC 4236 vorgestellt. Im Bildfeld von 42,7' x 34,2' liegt Norden oben, Osten links. Aus dem Bild ergibt sich für NGC 4236 eine Längsausdehnung von 23'. Das ist ein klein wenig mehr, als man es von der üblichen Literatur her kennt, z.B. Wikipedia. Die Entfernungsangaben schwanken beträchtlich. So wird sowohl von 5 Mio. als auch von 14,5 Mio. Lj berichtet. Die Fachliteratur weist 20 Angaben auf, die dazwischen liegen (NASA Extragalactic Database, NED). Das führt bei der Angabe der wahren Ausdehnung zu Schwankungen zwischen 32.000 und 92.000 Lj – fast unglaublich. Für dieses AdW gehen wir einmal von der akzeptierten Entfernung der M81/82-Gruppe aus, das wären 11,8 Mio. Lj. Damit käme NGC 4236 auf einen Durchmesser von rund 80.000 Lj. Bei einer solchen Größe darf man auf jeden Fall eine Spiralstruktur erwarten. Auch wenn viele Sternfreunde eine irreguläre Form zu sehen glauben: Tatsächlich zeigt sich auf unserem AdW eine ziemlich klare Spiralstruktur mit deutlichem Balken, man beachte die monochrome Darstellung mit gesteigertem Kontrast (hier klicken). Zudem liegt NGC 4236 ziemlich schräg im Raum. In der NED wird sie als späte Balkenspirale des Typs SB(s)dm geführt.

NGC 4236 kann – wie alle Galaxien der M81/M82-Gruppe – mit größeren Teleskopen schon recht gut aufgelöst werden. Ihre hellsten blauen Überriesen liegen bei 19 mag. An den Enden des Balkens werden einige kräftige H II-Regionen sichtbar, in blauer Farbe - blau - richtig gelesen! Die größte im Südbereich misst 17 Bogensekunden, der größte Klumpen im Norden 21 Bogensekunden. Das läuft auf Werte bis zu 1200 Lj hinaus, was rein von der Ausdehnung her mit dem Tarantelnebel in der Großen Magellanschen Wolke (giant H II region) oder mit NGC 604 in M 33 vergleichbar ist. Diese leuchtenden Nebel sind im AdW schon sehr gut zu erkennen. Sie haben ihren Ursprung – wie nicht anders zu erwarten – in kürzlichen Sternentstehungen. Da die Sternentstehungsgebiete sehr jung sind, ist der Anteil an enthaltenen Wolf-Rayet-Sternen und O-Sternen noch sehr groß. Das hat zur Folge, dass auch der umgebende Staub stark als Reflexionsnebel leuchtet. Außerdem ist der Anteil der [OIII]-Emission sehr hoch. Ferner ist H-Beta generell nicht zu vernachlässigen, diese Emissionslinie hat etwa 33% der Intensität von H-Alpha. Weil die blaue Farbe dominiert, sehen wir diese HII-Regionen nicht rot, sondern blau. Erst in späteren Jahren, wenn der Staub von den heißen Sternen nach außen weggeblasen worden ist, vermögen die blauen Sterne durch ihre UV-Strahlung den Nebel anzuregen, mit der typischen roten Wasserstoff-Emission (H-Alpha). Was blaue HII-Regionen angeht, gibt es noch zwei weitere Galaxien in der M81/82-Gruppe: IC 2574 und NGC 2366. Auch sie präsentieren HII-Regionen mit deutlich blauer Färbung. Es wäre völlig falsch, (L)RGB-Aufnahmen dieser Galaxien so zu „bearbeiten“, dass die HII-Regionen rot herauskommen (weil man sie ja nur so kennt ...). Zwar ist es völlig in Ordnung, sich an den Webseiten bekannter Astrofotografen zu orientieren. Aber es gehört inzwischen auch eines hinzu: Beachtung der astrophysikalischen Fakten aus astronomischen Datenbanken, die ja per Internet jedem zugänglich sind.

Im Falle des heutigen AdWs hat der Bildautor, Jens Zippel, unbedingt ein Lob verdient. Die Farbgebung seines Bildes ist absolut passend! Beginnend am 18. April 2017 setzte er in drei Aprilnächten seinen 250-mm-Newton mit f = 1000 mm (Marke Lacerta) zusammen mit einer Atik 460 EXm ein. Aufnahmeort war Bremen. Das ist schon deswegen besonders beachtlich, weil eine Großstadt ja doch viel Streulicht produziert. Gerade deshalb musste lange belichtet werden, um die lichtschwachen Details noch herauszuholen: 11,5 Stunden insgesamt. Außerdem erzeugt städtisches Streulicht stets Gradienten im Bild, an deren Beseitigung oftmals heftig gearbeitet werden muss.

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Auch in dieser Woche dürfen wir wieder ein sehr gutes AdW bestaunen. Die Qualität der beim AdW gezeigten Aufnahmen ist insgesamt auf einem sehr hohen Niveau. Das vorliegende Bild von Jens Zippel wurde (wie schon das AdW von Gerald Willems aus der 22. Woche) mit einer Atik Kamera und Sony Chip aufgenommen. Es zeigt sich m.E. klar ein Trend zu den kleinen Sony Chips. Auch tauchen immer mehr Aufnahmen mit CMOS-Chips auf, die ähnlich gute Eigenschaften aufweisen (relativ hohe Quanteneffizienz und kleine Pixel). Es ist spannend zu beobachten, wohin die Entwicklung der Kameras für die Astrofotografie geht.

Die Aufnahme von Jens Zippel zeichnet sich aus durch eine hohe Gesamtbelichtungszeit (10 h und mehr sind heutzutage keine Seltenheit mehr), einer guten Kalibrierung der Rohdaten und einer sorgfältigen Bildbearbeitung, inkl. Farbkalibrierung. Rauschfilter kamen hier entweder gar nicht zum Einsatz, oder wurden so dosiert, dass die Natürlichkeit des Bildes erhalten blieb. Möchte man bei einer solchen Aufnahme überhaupt noch etwas verbessern, so kann man noch tiefer in die Details der Datenreduktion eintauchen. Der Ausgleich minimaler Verzerrungen in der Bildgeometrie, die Wahl des besten Stacking-Algorithmus oder ein sogenanntes Resampling sind Faktoren, die noch eine minimale Verbesserung der Bilder bringen können. Wer sich mit solchen Methoden auseinandersetzen mag, muss tief in die Dokumentationen der Astronomie-Softwares eintauchen. Ob und wieviel ein solches Feintuning aber letztendlich bringt, muss jeder Astrofotograf für sich entscheiden. Der eigene Anspruch spielt da die ausschlaggebende Rolle.

Wir gratulieren Jens Zippel zu diesem überaus sehenswerten AdW.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

Koordinaten für NGC 4236 (J2000):

RA = 12 h 16 min 42 s, DEK = +69° 27´ 45´´

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Author: Arline Emard IV

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